Montag, 20. Oktober 2008

Augsburger Allgemeine über Klaus Peter Buchheit


weitere Presse: hier und hier und hier

Mittwoch, 3. September 2008

Klaus Peter Buchheit - Einführung -Mittwoch, 08. Oktober 2008 - Filmabend Lumière: Alexander Riedel (Regie): Draußen bleiben. (2007)

Szilvia Lengl, Milka Mirčić , Klaus Peter Buchheit, Alexander Riedel



Mittwoch, 08. Oktober 2008 - Filmabend Lumière: Alexander Riedel (Regie): Draußen bleiben. (2007)

Der Regisseur wird anwesend sein!

Treffpunkt Zunge zeigt in Zusammenarbeit mit dem Kolping-Jugendmigrationsdienst (JMD) Alexander Riedels auf den Hofer Filmtagen gefeierten Dokumentarfilm Draußen bleiben von 2007. Mit einer Einführung von Dr. Klaus Peter Buchheit.

Riedels interkulturelle Coming of Age Geschichte erzählt in dichten Bildern ein Jahr aus dem Leben der Kosovarin Valentina (16) und der Uigurin Suli (17). Valentina und ihre Freundinnen sind „drin“: In Deutschland, in München, im Hasenbergl, in ihren Familien, in ihrer Clique. Sie bleiben „draußen“: Draußen in ihrem Kiez, draußen auf der Straße, draußen vor der Stadt, außerhalb der so genannten Gesellschaft, oftmals völlig „außer sich“. Ihr Status ist mehr als prekär: Lediglich „geduldet“, bedroht von Abschiebung, vertraut mit Ablehnung und Armut versuchen die Mädchen ihr Leben, ihre Vergangenheit und Zukunft auf die Reihe zu kriegen; mit sich selbst, mit der eigenen Aggressivität und Verweigerung klar zu kommen, sich nicht von der Aggressivität und Verweigerung der „anderen“ kaputt machen zu lassen; kurzum erwachsen zu werden.

Sind die Mädchen im Film zwar die anderen, die von den Zuschauern angeschaut und von der Kamera vorgeführt werden, inszeniert Riedel seinen Film jedoch so, dass die Protagonistinnen sich schauspielerisch gekonnt selbst darstellen und dass es dadurch ihr Film wird. Die Mädchen bestimmen, was sie von sich zeigen, was sie von sich preisgeben. Dadurch wird Draußen bleiben zu einem authentischen Film, der nicht „auf authentisch macht".

weitere Infos: http://www.treffpunkt-zunge.de/

Freitag, 15. August 2008

Klaus Peter Buchheit - Lesung - Multisensual - 17. Oktober - s'ensemble


Lesung
17. Oktober
multisensual
s'ensemble theater
**** träume ****

Kostprobe:
"Am Morgen ist alles weg. Morgen ist alles weg. Vergessen und wie nicht geschehen. Aber es wird geschehen sein. Es wird wirklich und wahr gewesen sein. Es wird stattgefunden haben. Du wirst es erlebt haben. Es wird in dir drin sein. Es wird dich nie vergessen. Du hast es vergessen. Du erinnerst dich vielleicht des Schlusses. Der Panik. Dass da etwas auf dich zukam, dem du nicht entsprechen, dessen du dich nicht erwehren konntest. Daran wirst du dich erinnern. Aber des Restes nicht. Aber der Rest bist du. Dieser Rest wird dich dein Leben lang ausmachen. Wird dich bestimmen. Deine Sehnsucht. Deine Blicke. Deine Krankheiten. Dein Glück. Nach diesem Rest wirst du suchen. "


Kostprobe einer älteren Zusammenarbeit: Klaus Peter Buchheit - Eric Zwang Eriksson - Fleisch

Dienstag, 29. Juli 2008

AMYGDALA.lesung.kreuzweise - 12. September - 22:00 Uhr


Infos unter:

Klaus Peter Buchheit
http://www.matthias-ubert.de/
http://www.kreuzwei.se/

Textprobe aus "Ai, Robot":

"Ai: Ich war
stets in der Hoffnung
der erste Stein meines Lebensdominos
wäre endlich gefallen
u. es wäre eins nach dem anderen
der unendlichen Reihe umgefallen
jeder dieser Dominosoldatenposten
sei gefallen
als gewaltiges Schauspiel
u. ich hätte rufen schreien brüllen lachen können
ätschbätsch, du
ätschbätsch, ihr
ätschbätsch, ich
aber da ist nichts gefallen
so sehr ich auch alles umstieß
alles umhaute
sinnlos um mich schlug"

Zusammenfassung meines Stückes „Ai, Robot“:

Thematisch ist das Stück an Sophokles’ „Aias“ angelehnt. In „Ai, Robot“ steht ein einzelner Protagonist, sozial deklassiert, mit einem Kasten Bier, einer Zeitung und mehreren Plüschschweinen auf der Bühne und monologisiert: imaginiert, lässt Ereignisse durch seine Schauspielkunst entstehen. In den einzelnen Szenen verläuft die Zeit rückwärts, dh in Szene 1 befindet sich Ai und die imaginierten Personen des sophokleischen Stückes in einer Vorhölle. Von Szene zu Szene nähert sich der Monolog dem Ereignis an – der vermeintlichen Tötung der griechischen Soldaten und der Auspeitschung des Odysseus. Aias tötete bekanntlich Rinder, da er von Athene mit delirösem Wahn geblendet wurde. Ai zerfetzt in einem theatralischen sparagmos (Zerstückelungsritual) Plüschschweine – und geht vor das Ereignis bis in die Infantilität zurück. Das Stück lässt offen, ob der einsame Protagonist im Wahn spricht, oder ob all das, was er sagt, tatsächlich passiert ist.

Montag, 10. März 2008

Fleisch beat

©sound: E. Z. Eriksson
©Text: Klaus Peter Buchheit
©Sprecher: Klaus Peter Buchheit, Susanne Günther
AMYGDALA.schauspielkunst.e-mail



©sound: E. Z. Eriksson
©Text: Klaus Peter Buchheit
©Sprecher: Klaus Peter Buchheit, Susanne Günther



©sound: E. Z. Eriksson
©Text: Klaus Peter Buchheit
©Sprecher: Klaus Peter Buchheit, Susanne Günther



©sound: E. Z. Eriksson
©Text: Klaus Peter Buchheit
©Sprecher: Klaus Peter Buchheit, Susanne Günther



©sound: E. Z. Eriksson
©Text: Klaus Peter Buchheit
©Sprecher: Klaus Peter Buchheit, Susanne Günther
©Bild: Markus Vater, Artist, too big for his boots,
Tinte auf Papier, 59.4cm x 42 cm, 2008



©sound: E. Z. Eriksson
©Text: Klaus Peter Buchheit
©Sprecher: Klaus Peter Buchheit, Susanne Günther
©Bild: Günther Dörner; Darsteller: Matthias Ubert, Susanne Günther

Rhymes & Riffs live

loveneverdies-live-mitschnitt kreuzweise
Text, Sprecher: Klaus Peter Buchheit
Gitarre, Komposition: Matthias Ubert
Presse zu love never dies
AMYGDALA.schauspielkunst.e-mail

Sonntag, 9. März 2008

12 Interviews mit Ibrahim Kaya (Winter 2005/06)

1.1. Gespräch: Interview (17.10.2005)

1.2. Gespräch: Selbstbestimmung (17.10.2005)




2.1. Gespräch: Zugehörigkeit (24.11.2005)




2.2. Gespräch: Zugehörigkeit (24.11.2005)

next parts coming soon ...

Klaus Peter Buchheit - Hunger - Theaterstück in 5 Szenen

Copyright und Aufführungsrechte bei Klaus Peter Buchheit.

Hunger

oder

Was man so sagt

Theaterstück in 5 Szenen

von

Klaus Peter Buchheit

If I’ve killed one man, I’ve killed two –

The vampire who said he was you

And drank my blood for a year,

Seven years, if you want to know.

Daddy, you can lie back now.

Sylvia Plath

Personen:

V1 (Frau)

V2 (Mann)

Szene 1: 1. Tag. Frühstück

V1/V2 sitzen am Frühstückstisch.

Auf dem Tisch stehen Teller mit Käse und Wurst, eine Schüssel mit Obst- und Gemüseschnitze. Der Tisch ist, wie man so sagt, schön gedeckt. Blumen, Servietten, schöne Teller u. elegantes Besteck. Auf den Tellern nett arrangierte Brotschreiben, Lachsstreifen, Dill u. Petersiliebüschel. Neben den Teller jeweils ein gekochtes Ei in einem Vintage-Eierbecher. Die Kücheneinrichtung als Fototapete. Es läuft leise Jazz-Musik.

Zwei Handys liegen auf dem Tisch.

Neben dem Tisch hängt von der Decke herab eine Plüschkatze.

V1 ist hochschwanger.

V2:

Wir haben es doch gut.

V1:

Ja, wir haben es gut.

V2:

Wie schön der Tisch gedeckt ist.

V1:

Ja, der Tisch ist schön gedeckt.

V2:

Greif zu.

V1:

Ich greife ja zu.

(schiebt den Teller von sich weg)

(Ein Handy klingelt)

V2:

Deins.

V1:

Nein, deins.

(V2 schaut auf das Display, nimmt das Gespräch mit einem lauten und übertrieben freundlichen „hallo“ an u. geht hinter die Fototapete. Man hört ihn telefonieren, versteht aber nicht, was er sagt.)

(V1 spielt mit einer Scheibe Wurst. Riecht daran. Ekelt sich. Hält sie der Katze hin. Schlägt damit auf ihr Gesicht ein.)

V1:

Scheißkatze!

Du hast wenigstens einen Beweis deiner Abhängigkeit. Du hängst von der Decke u. du kannst nicht anders.

(lacht)

Aber du wirst enden, wie sie alle enden.

Du wirst uns nicht entkommen.

Deine Leine war teuer, warum sagst du nicht danke schön. Danke schön liebes Frauchen. Danke schön liebes Herrchen.

(schlägt ihr wieder mit der Wurstscheibe ins Gesicht).

Nur das Ding in mir soll nicht enden.

Warum muss es einen Anfang haben?

Warum kann es nicht einfach nicht sein?

U. warum nimmt es mich nicht mit, dahin, wo nichts ist?

Wo all das hier nicht ist?

(V2 kommt zurück)

V2:

Hab ich dir schon gesagt, wie schön der Tisch ist?

Wie schön du bist?

Merkst du’s schon, dass es kommt?

Endlich kommt?

Dein Geschenk.

Was für ein Geschenk.

Mein Geschenk.

Iss doch, du brauchst Kraft.

Der Arzt sagte, der Termin sei jetzt.

Ist es endlich soweit?

V1:

(versucht zu lächeln)

Setz dich doch u. iss du. Das beruhigt. Männer sind immer so nervös. Männer haben immer kalte Füße, die dann aber seltsamerweise schwitzen u. stinken.

Setz dich u. iss.

Iss das hier.

V2:

(versucht seinen Zorn runterzuschlucken)

(will was sagen, aber er bewegt nur den Mund)

Stille

V2:

Je mehr wir wir selbst werden, desto besser können wir unsere Rollen spielen, aus denen wir eh nicht heraus kommen.

Stille

Es gibt die, die schnell u. schmerzlos töten, u. die, die dich bei lebendigem Leib unendlich quälen. Egal in welcher Situation. Auch im Glück.

Wozu gehören wir?

V1:

Iss.

Iss einfach.

Iss u. sei still.

V2:

(schneidet eine Grimasse)

Ich sage dir,

Frauen haben je u. je nach dem Retter u. Drachentöter gerufen.

Aber wenn er dann da ist,

klagen sie darüber, dass er ein ungehobeltes Raubein ist

u. dass er, beraubt seiner Aufgabe des Rettens u. Drachentötens,

anderen Süchten verfällt;

dass er sich quasi künstliche Opfer u. Drachen sucht;

dass er zu seinem eigenen Opfer u. Drachen wird.

Also gibt es nur einen einzigen Ausweg:

dass wir uns unserem eigenen Mythos von der Frau hingeben;

dass wir die mythische u. legendäre Frau suchen u. heimbringen.

So habe ich es getan u. mein Spiegelbild heimgebracht.

U. es funktioniert, ja, es funktioniert,

wenn wir beide nie von unserer Blindheit geheilt werden;

wenn wir uns permanent missverstehen u. in unserer Mythe oder Legende

auf ewig verharren.

Das ist der Schlüssel dazu.

Verstehst du das denn nicht?

V1:

(wischt das Gesagte mit einer Geste weg)

Halt einfach den Mund.

V2:

(äfft sie nach)

Du verstehst mich nicht.

V1:

Heul doch.

Iss endlich

V2:

(streichelt die Katze, hält ihr eine Wurstscheibe hin)

Iss mein Liebling.

Damit du rund u. lebendig wirst.

Na, dudududu.

Deideidei.

Schnuckiputzi.

Daddy’s Liebling.

(Das Handy klingelt)

(V1 nimmt es hektisch, als sei es in Gefahr, schützt es mit beiden Armen u. rennt hinter die Tapete. Man hört Geräusche, von denen man nicht weiß, bedeuten sie lachen oder weinen)

(V2 spielt mit dem gekochten Ei;

er bohrt oben u. unten jeweils ein Loch hinein; legt es auf seinen Teller; geht zur Katze, streichelt sie, würgt sie, drückt ihr einen Kuss auf, würgt sie wieder, schlägt sie, dass sie quer über den Tisch pendelt. Als er hört, dass V1 zurück kommt, fängt er sie wieder u. hält sie wie ein Kind im Arm. V1 sieht es. V2 setzt sich.)

V2:

Alles klar? War es deine Schwester.

V1:

Nein. Falsch verbunden.

V2:

Aha.

Du immer u. deine falsche Verbundenheiten.

V1:

(lächelt gequält)

Iss dein Ei, sonst wird es kalt. Es ist weich, wie du es wolltest.

Nahezu roh.

Nahezu blutig.

(lacht)

V2:

(macht eine Geste, dass sie schweigen soll)

Wie schön das Fell der Katze glänzt.

Wie Haut im Mondlicht.

(V2 nimmt das Ei u. bläst den Inhalt V1 ins Gesicht, die regungslos bleibt)

V2:

Du solltest dich freuen.

Du wehrst dich.

Du bist nicht normal.

Das Kind wird sich freuen. Es wird eine Freude sein.

Es wird anders sein.

Normal.

Es wird nicht sein wie du.

Ich habe Hunger.

(V1 steht langsam auf, wischt sich die Schlonze aus dem Gesicht, geht zur Katze u. zerbeißt sie. Saugt an der Wunde.)

V1:

Iss das.

Nichts wird sich ändern.

Ich hätte das alles nicht gebraucht.

Es ist erbärmlich.

V2:

Was du nicht sagst.

(Bleibt sitzen)

Wisch dir den Mund sauber.

Was soll das Kind von uns denken?

Alles ist gut.

V1:

Nichts wird es denken.

V2:

Was du nicht sagst.

(Stellt das ausgeblasene Ei wieder schön ordentlich in den Eierbecher. Rückt alles auf dem Tisch zurecht)

V1:

Was man nicht alles so sagt.

(V1 setzt sich wieder. Beide starren sich an u. bleiben regungslos.)

V2:

Der Tag ist so lang.

V1:

Das Leben ist so lang.

V2:

Ja, das Leben.

V1:

Das Leben.

Stille.

(Das Blut der Katze tropft auf den Boden)

Licht aus.

Szene 2: 1. Tag. Mittagessen

Esszimmer. Ein gedeckter Tisch. Hintere Wand eine Fototapete, auf der Fenster mit Sonnenuntergängen über Bergen abgebildet sind. Links u. rechts Kommoden u. ein Laptop aus Pappmaché. Vor dem Laptop ein Stuhl. Ein Aquarium mit Fischen.

Auf dem Tisch wieder Blumen. Zwei Grillhähnchen auf Silbertablett. Zwei Schüssel mit Salat. Eine Glasschüssel mit Pellkartoffeln. V1 u. V2 sitzen am Tisch. Vor ihnen jeweils ein Teller u. ein Glas Rotwein. Leise läuft Volksmusik.

V1 u. V2 schweigen.

Sie sind nahezu regungslos.

V1 stochert mit der Gabel im Salat rum.

V2 springt auf u. geht an den Laptop.

V1:

Das nervt.

V2:

Lass mich.

(V1 u. V2 schweigen. V2 tippt etwas in den PC.

V2 grunzt.)

V1:

Lass sehen.

(V2 klappt panisch den Laptop zu u. geht zurück an den Tisch.)

V2:

Da sagt einer, man dürfe keine Spinnen töten. Darauf müssen wir anstoßen.

(V2 greift nach dem Glas, stößt es aber um.)

V2:

Scheiße.

V1:

Der gute Wein.

(V2 ignoriert das Missgeschick.)

V2:

Man dürfe keine Spinnen töten. Haben die keine anderen Sorgen.

(zu V1)

Du bist überfällig.

V1:

Ich bin nichts. Ich bin höchstens fett. Dick wie ein aufgeblähter Kadaver im Wasser.

V2:

Das ist das Leben.

V1:

Das du nehmen willst.

(V2 nimmt ein Hähnchen, bricht es auf, legt einen Teil wieder auf das Silbertablett u. spielt mit dem anderen. Er reißt Fleischstücke von den Knochen u. wirft sie ins Aquarium.)

V2:

Wertlos. Sie färben nicht einmal das Wasser.

Da ist kein Leben drin. Aber in dir ist Leben. Mein Leben. Leben von meinem Leben. Der Beweis von meinem Leben. Der Beweis für mein Leben. Der Beweis für meine normale Existenz.

V1:

Quod erat demonstrantum.

(V1 nimmt eine Kartoffel u. zerquetscht sie mit einer Hand)

(V2 geht wieder an den Laptop. V1 verrenkt sich, um zu sehen, was er sich ansieht. Er versucht den Bildschirm mit seinem Körper abzuschirmen.)

V2:

Paare funktionieren nur, wenn sie einander ihre Geheimnisse lassen.

(V2 grunzt wieder)

V1:

Ich muss mal.

(V1 verlässt den Raum. V2 scheint geradezu den Bildschirm abzuschlecken)

V2:

Es wird nicht sein wie ich. Es wird somit die Vollendung sein.

Sein Schicksal soll in meiner Hand liegen.

Ich will das alles auch.

(V1 kommt zurück. V2 starrt sie kurz aber intensiv an.)

V1:

Gib dir keine Mühe. Du hast den Blick nicht. Ein Ammenmärchen.

V2:

Dein Lippenstift ist verschmiert.

(V1 wischt sich schnell den Mund sauber.)

V2:

Du bist überzählig.

Hast du den Arzt angerufen?

V1:

Nein.

Er sagte schon vor Monaten, dass es ein Fehler gewesen wäre.

Ich werde daran sterben.

V2:

So schnell stirbt es sich nicht.

V1:

Dir wäre es doch recht. Ein Zeuge weniger.

V2:

Du musst essen.

(V1 nimmt das zweite Hähnchen u. stopft Pellkartoffel hinein. Sie geht zu V2, hält das Hähnchen über seinen Kopf u. zermalmt es mit ihren Händen. Die zerquetschten Kartoffeln fallen auf V2s Kopf. Er schmiert sich den Brei in die Haare.)

(Beide schweigen.)

(V1 wirft den Rest des Hähnchens ins Aquarium.)

V1:

Wer sind wir?

Was sind wir nur?

V2:

Das weißt du genau.

Immer wehrst du dich dagegen.

(V1 öffnet unvermittelt den Laptop. Anstelle des Bildschirms klebt dort ein blutverschmiertes Bild.)

V1 (lacht):

Hast du Spinnen erschlagen.

V2:

Ich halte das nicht mehr aus.

Du bist eine Qual.

Alles ist eine Qual.

(V1 geht zum Aquarium, fängt einen Fisch. Sie geht zurück zu V2, hält den Fisch über ihn u. dreht dem Fisch den Kopf ab. V2 starrt nach oben u. saugt den Fisch aus, spuckt aber alles wieder aus.)

V2:

Ersatz.

Immer nur Ersatz.

Surrogate.

V1:

Schweig still.

Du wolltest es so.

Du wolltest dieses Leben.

Mit all dem da (zeigt den Raum).

Mit dem da (zeigt auf ihren Bauch)

Du wolltest.

Immer willst du.

Bis nichts mehr übrig ist.

Oder bis nur noch das da übrig ist (wirft die Fischreste zurück ins Aquarium).

V2:

Typisch Frau.

Du verweigerst dich.

V1:

Du verweigerst dich.

Du wolltest nicht mehr.

Du saßest nur noch am Rechner u. grunztest wie ein Schwein.

V2:

Ich war leise.

U. in der Nacht, da verließest du das Haus.

Glaubst du, ich habe es nicht bemerkt.

Glaubst du, ich habe es nicht gesehen.

Ich stand am Fenster u. sah, wie du in die Nacht ranntest, die Gier im Nacken

u. die Gier im Blick.

V1:

Du bist so schwach.

(sie streicht ihm den Kartoffelbrei aus den Haaren)

Du Armer, du.

(V2 zuckt, als wolle er sie schlagen, beherrscht sich aber.

Er geht zurück an den Tisch u. setzt sich. V1 bleibt regungslos stehen, wischt sich dann die Hände an ihrem Kleid sauber u. setzt sich auch zurück an den Tisch.

Sie nimmt ihr Glas Rotwein u. schüttet es sich in den Schoß.)

V2:

Hahaha.

Verscheißern kann ich mich selber.

V1:

Es wird nicht geschehen. Es wird nicht kommen. Ich werde es nicht in diese Welt lassen, in deine Welt. Nicht noch einmal.

Nicht noch einmal das.

Wir hätten ausgehen können. Du hättest anstelle dieses Dings da etwas Schönes geben können.

Rubine. Oder Kleider. Kleider für die Nacht. Kleider für meine makellose weiße Haut.

Für meinen schlanken Körper.

(V2 sieht sie verächtlich an.)

V2:

Du hast keine Tiefe. Keinen Geist. Du bist zu mager.

(V1 steht auf, geht zum Laptop, reißt das blutverschmierte Bild heraus u. schlägt es V2 ins Gesicht. Zerreißt es u. wirft die Schnipsel auf den Boden.)

V1:

Ist das Tiefe?

Ist es Tiefe, was du mit den anderen gemacht hast?

Ist das Tiefe?

Tief ist nur das Nichts in dir, das du mit Leben stopfen willst.

Mit meinem Leben.

Ich wollte, ich hätte keins mehr.

Der Arzt sagte, diesmal werde ich es nicht schaffen.

Diesmal nicht.

Das ist dann mein Geschenk.

(Streicht sich über den Bauch)

Unser Geschenk.

V2 (als wäre nichts passiert):

Ich habe Hunger.

(V2 kriecht auf dem Boden umher u. sammelt die Schnipsel auf.)

V2:

Mein Baby.

(V2 geht zum Laptop. Drückt Tasten.)

Meine Babys. Mein ein u. alles.

Stille

Es geschieht, was geschieht. Der Herr nimmt u. der Herr gibt.

Ich habe gegeben u. ich werde nehmen.

(V1 schiebt mit dem Arm alles vom Tisch auf den Boden.)

V1:

Hier nimm.

(V2 starrt in den Rechner u. beginnt wieder zu grunzen.)

(V1 lacht leise u. hysterisch.)

(V1 überblickt den leeren Tisch. Wischt ihn mit ihrem Ärmel sauber.)

V1:

Alles in bester Ordnung.

Schreib dem Spinnenrettermensch, er sei ein Idiot.

V2:

Ja, Frau.

U. jetzt schone dich.

Wir brauchen Ruhe.

Soll ich den Arzt rufen.

V1:

Nein.

Es ist alles in Ordnung.

Wie gesagt.

In bester Ordnung.

Halten wir Mittagsruhe.

(V1 legt den Kopf auf den Tisch.

V2 grunzt leise in den Laptop hinein.

Die Musik verstummt.)

Langsamer Einzug des Lichts.

3. Szene: 1. Tag. Abendessen.

Wintergarten. Die Sonne ist bereits untergegangen. Auf dem Tisch verschiedene Tellerchen mit Sellerie-, Karotten-, Paprikajulienne. Schüsselchen mit Dips. Neben V1 ein Schuhkarton. Neben V2 eine Pistole. Beide spielen mit einem kleinen Laptop. Das Fenster des Wintergartens ist geöffnet. Davor ein Baum. Auf den Ästen Vögel.

V1:

Iss doch!

V2:

Keinen Hunger.

V1:

Den ganzen Nachmittag hast du dir diesen Scheiß im Netz angeschaut.

Die Bilder.

Das Blut.

V2:

Recherchiert habe ich.

V1:

Wer’s glaubt.

Wenn du mich so ansehen würdest, wie diese Bilder.

V2:

Dann würdest du rennen.

Du willst doch nicht, dass …

V1:

Iss endlich.

Der Mensch muss essen.

V2:

Ja, der Mensch.

Mach das Ding aus.

Menschen erschießen, dass sie platzen.

V1:

Da ist kein Blut. Das ist Spiel.

Es beruhigt mich.

Ich ertrage dich.

Ertrage das.

V2:

Du träumst.

Du lebst einen Alptraum.

Du bist der Alptraum.

Denk an das Kind.

Du willst es benutzen.

Aber es gehört mir.

Du willst es mir nehmen.

Du willst dich mir entziehen.

Ihr wollt gehen.

Ihr wollt zerplatzen.

Dein Alptraum, dein Wunsch, dein Ziel:

dich aufzulösen,

ohne eine Blutspur zu lassen.

Mir nichts zu lassen.

Kein Zeichen.

Dabei weiß ich nicht, ob es dich überhaupt gibt.

Ich muss mich beruhigen.

(V1 sieht sich auf seinem Laptop ein Entspannungsprogramm an. Aber er macht die Übungen nicht mit).

Kreise.

Mandalas.

Wie Spinnennetze.

Wie Netze für mein Kind.

Sicherheit.

Zukunft.

Ich.

Doch du.

V1:

Iss doch.

(V1 nimmt etwas aus dem Karton u. steckt es sich schnell in den Mund, kaut darauf herum, spuckt es wieder aus.)

V2:

Du bist widerlich.

V1:

Das ist nur Konfekt.

V2:

Du frisst Schaben.

Du bist so schwach. Noch nicht mal deine Verweigerung kannst du durchhalten.

Du wirst ein riesiges, blutleeres Insekt gebären. Eine nervöse Schabe, einen zittrigen, ekligen Vielfüßler, auf dem du davon reiten willst.

V1:

Idiot.

Entspann dich.

Iss was.

Alles wird gut werden.

(wieder stopft sie sich etwas aus der Schachtel in den Mund)

(V2 nimmt die Pistole u. schießt einen Vogel vom Ast. Der Vogel zerplatzt. V1 ignoriert es.)

V1:

Das

Das Ding

Das Ding da

in mir

es saugt mich jetzt schon leer.

Ich bin so leer.

U. so voll, so aufgedunsen, aufgeblasen.

So vor dem Zerplatzen.

Ich kann nicht essen

(spuckt das Etwas aus der Schachtel aus)

kann nicht trinken.

Sehe nur dich.

Dein Warten.

Dein Stieren auf die Bilder, wie du mich nicht mehr anstierst.

Als du anstiertest, hast du mir das da

das Ding gemacht.

Es wird mich töten.

Es wird tot sein.

Das hast du davon.

Nur weil ich dir gehorche.

Deine Frau.

Dein Weib.

Deine Subalterne.

Iss endlich.

(V2 nimmt eine Julienne, riecht daran, wirft sie dann aus dem Fenster u. schießt einen weiteren Vogel vom Baum.

V1 will freudig aufschreien, unterdrückt es aber.)

V2:

Du wolltest mich nie.

Du willst was anderes sein.

Was Besseres.

Wer glaubst du, dass du bist?

Hä?

Wer glaubst du, bist du?

Dumme Gans.

Du träumst.

Du träumst vom Leben u. tötest doch.

Dich.

Es.

Mich.

Früher ging ich aus.

Jetzt sitze ich hier.

V1:

Du wolltest doch …

V2:

Sei still, dumme Gans.

V1:

Ich dachte einst,

ich kriege alles aus Büchern.

Lesen.

Aus dem Internet.

Surfen.

Die ganze Nacht.

Dann anwenden.

Leben leben, wie es geschrieben steht.

Die Bilder. Die Filme.

Geht nicht.

Oder die Leute durchschauen.

Ich durchschaue jeden.

(V2 lacht in seine Mandalas hinein)

(V1 beachtet ihn nicht, schießt dafür umso heftiger in ihrem Spiel; steckt sich was aus der Kiste in den Mund, spukt es aus)

Aber wenn sie was Gutes wollen,

kriege ich es nicht mit.

Bin ich stumm u. dumm.

(hält einen Augenblick mit dem Spielen inne, dann weiter; will etwas aus der Kiste holen, lässt es dann aber bleiben)

Wenn sie was Böses wollen,

schon eher.

Da springt die Fantasie an.

Falls ich es merke.

Falls es sich nicht als etwas Gutes tarnt

wie zumeist.

Scheißdreck.

Aber wenn einer angreift, ja dann,

Chance, meine Chance, Sechser im Lotto,

ich springe an,

dort oben (zeigt auf den Kopf)

dort unten (zeigt zwischen ihre Beine)

Ich liege stetig auf der Lauer

vor mir selbst.

Nichts lässt sich anwenden.

Alles wird schon gegen mich verwendet.

Wie dieses Scheiß Selbstmitleid der Wahrheit.

Das muss aufhören.

Einfach enden.

U. das in mir,

es darf nicht anfangen,

überhaupt nicht erst beginnen.

Ich gebäre nur Selbstmitleid.

(lacht)

U. wenn die Gefühle kommen

u. das insgeheime Eingeständnis,

dass ich jemanden brauche,

treibt mich das in die Zwangslage,

jemanden gebrauchen zu wollen.

Von Anfang an.

Von Beginn an

ist alles schon verfahren u. verzwickt.

Der Anfang muss enden.

Das Ende hätte nie beginnen dürfen.

Es begann im Anfang.

Im Grunde,

ja,

im Grunde

(sie schießt wieder heftiger, lacht)

bin ich eine

Liebesattentäterin.

V2:

(ironisch)

Was sagst du, Schatz?

(ironisiert gestisch seine Entspannungsübungen)

V1:

Hättest du nicht das andere Kind …

V2:

Sei still.

Das bildest du dir ein.

Es gab kein anderes Kind.

Komm, schieß ein paar Animierte über den Haufen, das wird dich beruhigen.

Eskapistin.

V1:

Klugscheißer

(steckt sich wieder etwas aus der Schachtel in den Mund)

V2:

Es wird die Vollendung sein.

Du wirst es zur Welt bringen.

Es hätte heute schon so weit sein sollen.

Du verweigerst dich.

Du wirst es töten.

V1:

Du wirst es töten.

(V2 wird wütend u. will sich auf V1 stürzen, fasst sich aber wieder u. bleibt angespannt ruhig)

V2:

Ich werde es lieben.

Ich werde es innig lieben.

V1:

Innwendig meinst du wohl.

Du lebst nicht.

V2:

Du lebst nicht.

V1:

Aber du.

Kälter u. brutaler als der Tod.

V2:

Papperlapapp.

Ich weiß mich zu beherrschen.

Du u. deine Ausbrüche.

Du bist wahnsinnig.

Lebensfremd.

Leblos.

Aber es wird ein Leben haben.

U. das wird es mir dann auch geben.

Es wird meins sein. Für mich von mir.

(schießt einen weiteren Vogel vom Baum. V1 springt auf, will hinaus, kehrt wieder um u. setzt sich scheinheilig hin)

V1:

Es wird dich fressen. Wie es mich schon jetzt frisst. Wie es eine immer größere Leere in mich frisst u. ich von der Leere ganz fett werde und ganz hohl. Du siehst mich nicht. Du siehst nicht, wer ich bin, wie ich bin, was ich bin. Du siehst nur deine Bilder.

V2:

Du bist wie ich.

Du bist ein Spiegelbild von mir.

Wie ich, nur ein bisschen verkehrt.

Oder sagen wir: ganz verkehrt.

Verrückt.

V1:

Du bist verrückt.

Es wird sein wie du.

Das darf nicht sein.

Es darf nicht sein.

Ich darf nicht sein.

Vielleicht hast du Recht.

Vielleicht bin ich wie du, nur verkehrt.

Du hast mich dazu gemacht.

Du hast mir was vorgespiegelt.

U. ich bin darauf hereingefallen.

In die Falle, aus der es kein Entkommen mehr gibt.

Gefangen. U. du bist das Gefängnis.

Ich wurde als dein Spiegelbild zu meinem Gefängnis.

U. das da in mir,

es wird mir helfen

auszubrechen.

Es wird sein wie du.

Der Kreis schließt sich.

Wie in deinen Kreisen u. Mandalas,

deiner Scheißberuhigungsselbstverarsche,

du brachtest mich hinein.

Du brachtest das Untote über mich.

Es bringt mich hinaus.

Es schenkt mir das Unlebendige.

Den Traum.

Das Glück.

Das ewige Vergessen.

Dass es dich gibt.

(V1 stopft sich eine Handvoll Schaben aus der Kiste in den Mund u. spuckt sie wieder aus)

Dass es dich gibt.

(V2 schaut auf seinen Rechner.

V2 nimmt die Pistole u. zielt auf den Bauch von V1.

V2 schießt einen weiteren Vogel aus dem Baum.)

V2:

Was du nicht alles so sagst.

Was man nicht alles so sagt.

Du redest dummes Zeug.

Morgen früh rufen wir den Arzt.

Dann wird das schon werden.

Nicht wahr.

Alles ist in bester Ordnung.

Das sind die Nerven.

Du bist nervös.

Das ist alles.

Frauen.

Euch hätte man die Geburt nie überlassen dürfen.

Könnt ich mir nur selbst meine Kinder schenken.

Süße rosige Mädels.

(V1 zerschlägt den Rechner auf dem Tisch.

V2 schaut sie hasserfüllt an. Aber voller Gier.

V1 duckt sich. Greift in die Kiste u. bietet ihm eine Schabe an. V2 schlägt sie ihr aus der Hand. Nimmt die Pistole u. schießt einen weiteren Vogel vom Baum.)

V2:

Wir dürfen das …

V1:

… nicht …

V2:

… tun.

Das sind die Nerven.

V1:

Das bist du.

V2 (geht raus u. kommt mit einem Vogelkadaver zurück):

Das bist du.

V1 (reißt ihm den Kadaver aus den Händen):

Hättest du wohl gern.

(saugt an dem Kadaver)

ah,

aaaah.

ahh, ist das widerlich.

Das ist es in mir.

(saugend)

Wir dürfen das nicht.

V2 (auf V1 starrend):

Alles wird gut.

V1 (monoton-träumerisch):

Alles wird gut.

(V1 spielt wieder ihr Computerspiel, jetzt mit Ton, dass man das Ballern hört. V2 starrt auf sein Meditationsprogramm. Die Stimme aus dem Rechner wird immer lauter, sie sagt stets den gleichen Satz:)

Sie sind ganz leer.

Licht abrupt aus.

4 Szene: Nacht. Mitternachtsmahl

Keller. Tisch mit Emailtopf, darin Blutsuppe. An der Decke eine Glühbirne ohne Lampenschirm. Die Wände unverputztes Mauerwerk. Ein vergittertes Fenster.

(V2 würgt Suppe zurück in den Topf. V1 kommt.)

V1:

Was?

V2:

Nichts.

(wischt sich den Mund mit dem Ärmel ab)

V1:

Aha

(blickt in den Topf)

Aha

V2:

Genug gespielt?

V1:

Pfff.

V2 (nachäffend u. gleichzeitig sein Handy zückend):

Pfff.

(Er wählt)

V1:

Wen rufst du an?

(V2 antwortet nicht)

V1:

Willst du noch weg?

Du kannst nicht weg.

Was ist wenn, …

V2 (fluchend, murmelnd):

Keiner da.

Scheiße.

Mist.

Verdammt.

(dann zu V1, ironisch):

Dann geht ihr eben hopps

(ernst)

das willst du doch

V1:

Das hättest du gern.

Es wird wie du u.

dann war’s das mit dem Spaß´

Pech gehabt

würg deine Suppe

(ein Handy klingelt. V2 springt zu seinem Handy, aber falscher Alarm. V1 kramt das ihre aus ihrer Hosentasche. Eine SMS. V1 liest und flucht).

V1:

Scheiße.

V2:

Wer?

V1:

Niemand.

V2:

Wer niemand?

V1:

Niemand eben. Wie nie, wie man u. d wie Depp am Ende.

V2:

Sehr witzig.

Und?

V1:

Absage.

V2:

Du wolltest weg?

V1:

Du doch auch.

V2:

Ich nicht.

V1:

Ich auch nicht

(tippt eine SMS)

V2:

Wem schrei…

V1 (leiernd):

Wie nie, wie man u. d wie …

V2:

Is ja gut.

(wählt ebenfalls erneut; man hört das Tuten. Keiner meldet sich)

Scheiße.

Die Sau.

V1 erhält eine weiter SMS

V1:

Scheiße.

Idiot.

Soll ich hier versau…

V2:

Du willst weg?

In deinem Zustand?

V1:

Mein Zustand geht dich nichts an.

Auch wenn du mich in ihn gebracht hast wie der Jäger die Kugel ins Reh.

(V2 gähnt gekünstelt.)

V1:

Wie der Schlachter den Bolzen in die Stirn des Rindes.

(V2 gähnt wieder gekünstelt.)

V1:

Ich hätte mich ja auch, nicht, äh, hätte ich mich, der Arzt hat’s angeboten, hätte ich mich, dann hättest du, ja, dann wäre nix, dann hättest du gewissermaßen, da hättest du, dann wär’s vorbei gewesen, denn du, du kommst hier, hier kommst du nie mehr, nein nie mehr, kommst du von hier, äh, weg, nie mehr, u. wenn es das letzte ist, was ich, was ich mit dir, mit dir mach ich nix, nix mach ich mehr, also hätte ich mich nur, aber dann hättest du keine Ruhe, das hättest du nicht gegeben, keine Ruhe, wärest wieder u. wieder u. nur, nicht wegen, nicht meinetwegen, nein meinetwegen nicht, du willst nur, in deiner Gier, in deinem Hunger, willst du, u. willst mich, mich als Zeugen, willst du, das weiß ich jetzt, mich willst, also du willst, dass ich verrecke, das willst du, sag schon, du willst, du willst, deine Gier, ich halt, ich halte das nicht mehr, dich halte ich, ich halte dich, das Leben, das Alles, ein Leben ist das nicht, das Untote, Unlebendige, das, ich, du, das Kind, mein Bauch, der Arzt, ich wollte nicht, das mache ich nicht, ich lasse mich nicht, vielleicht sterben wir, dann hast du’s, wir beide, da siehst du, was du, ja du, was du mit uns, mit mir, ich, ich interessiere dich ja nicht, nicht wahr, du, immer nur du.

V2:

Blablabla

Dummes Geschwätz.

Du wolltest es genauso wie ich.

Du wolltest es.

Warum hast du sonst, warum hast du nicht, hä, warum, du hast, u. das zählt, u. es wächst in dir, das zählt, also sollte es sein, bist du etwa, nein bist nicht, also, hättest ja gehen können, bist du gegangen, nein, bist du nicht, also, also jammer nicht, dumme Gans, also kümmer dich gefälligst, also sorg, dass es gesund, dass es proper, rosig, ein Kind, ein richtiges Kind, kannst du das, kannst du einmal was, ich kann es ja wohl schlecht, sozusagen, zur Welt, kann ich nicht, nicht wahr, oder kann ich das, sag, kann ich das, (packt sie), kann ich das etwa, ich würd ja, dann würdest, dann, dann, dann, würdest du ganz schön, schön schauen würdest du.

(SMS für V1)

V1:

Scheiße.

Immer Absage.

Immer hier.

Nie raus.

Nie mehr weg.

(V2 versucht anzurufen. Keiner geht ran.

V2 wird wütend u. wirft sein Handy an die Wand.)

V1:

Gute Idee

(sie wirft ihr Handy auch mit voller Wucht gegen die Wand.)

(Beide schauen sich an u. lachen.)

V1:

Lach nicht.

(lacht umso mehr)

V2:

Hör du doch auf

(lacht umso mehr)

(V1 geht zu dem Topf u. nimmt einen Löffel.)

V1:

Scheiße. Kalt.

(nimmt schnell noch drei Löffel, den letzten spuckt sie demonstrativ aus)

Scheißzeug.

Wie kannst du nur …

Willst du?

V2:

Leck mich.

V1:

Mit Vergnügen.

U. was machen wir dann?

Mir wird langweilig.

V2:

Weiß nicht.

(Schaut sie an)

(lang gezogen, sie mit dem Blick ausziehend)

Weiß nicht.

V1:

Hör bloß auf.

(lacht)

V2:

Keine Sorge.

(nähert sich ihr)

(V1 kommt ihm entgegen. Beide stellen sich Rücken an Rücken vor den Tisch u. reiben ihre Körper aneinander. Sie stöhnen. Lachen.)

V1:

Aha.

V2:

Psst.

(V2 nimmt den Topf u. gießt die Blutsuppe über sich u. V1.

Beide stöhnen laut auf.

Drehen sich um.

Umschlingen sich.

Beißen einander in die Hälse u. sinken stöhnend u. fickend zu Boden.

Eine SMS kommt u. das andere Handy klingelt. V1 u. V2 ignorieren es.

Nach rauschhaftem Sex stehen beide über u. über blutverschmiert, aber glücklich auf. Sie sehen sich nicht an. Sie beginnen sich zu schämen u. versuchen, die zerrissenen Kleider zu richten, das Blut abzuwischen usw.)

V1:

Das war doch gu….

V2:

Sei still!

Kein Wort.

(V2 ab.

V1 steht da u. schlägt sich auf den Bauch. Streichelt dann den Bauch. Dann ab.)

Licht aus.

Szene 5: 2. Tag. Frühstück

Reichlich gedeckter Tisch in der Küche. Bühne wie Szene 1, nur die Katze fehlt, dafür hängt ein Fernseher von der Decke. V1 u. V2 sitzen am Tisch nebeneinander über ein Kreuzworträtsel gebeugt. Beide rauchen. Rühren das Essen nicht an. Spielen vielleicht gelegentlich damit.

V1:

Das ist nicht gut. Das passt nicht. Zu lang. Alles viel zu lang.

V2 (vor sich hinmurmelnd):

Die Entledigung oder wenigstens die Entrückung oder zumindest die Prolongation der Landelichterbahn.

Wir dürfen nicht schlafen. Wenn wir schlafen, rammen sie uns den Pflog in den Leib. Schlaf tötet uns nicht, aber im Schlaf werden wir getötet. Traue niemandem.

Du, schlafen wir? Träumen wir? Leben wir? Fliegen wir?

V1:

Bitte?

Chinesische Dynastie, drei Buchstaben.

Dir ist die Nacht nicht bekommen. Was musstest du auch den Rechner zertreten.

V2:

Ein Unfall.

Ich stolperte.

Stolperte über dich. Du lagst davor.

Aber hier, das weißt du: Gerät zur Richtungsbestimmung, sechs Buchstaben.

V1:

Geht das in eine bestimmte Richtung?

Gehen wir in eine bestimmte Richtung?

Haben wir ein Ziel?

Ist das das Ziel.

Mir ist schlecht.

Flau im Magen.

Speiübel.

V2:

Mein Kopf ist leer.

Die Entledigung der Gedanken. Der Vorstellungen.

Oder wenigsten die Entrückung oder zumindest die Prolongation der Gedanken. Des Gedankens. Des eines Gedankens.

Ihn nicht mehr zu denken ist schier unmöglich. Ist Schierling meinem Leib.

V1:

Französisch hier. Drei Buchstaben.

Hier rechts, senkrecht.

Hier in der Mitte, bei mir. Da ist das flaue Gefühl. Da ist das Gefühl, dass da nichts ist. Da ist nichts. Wenn ich so tue, als ob da nichts wäre, ist da auch nichts. Wir machen einfach weiter, indem wir aufhören, etwas zu machen. Du hast mir nichts gemacht. Du hast mir das da nicht gemacht. Es ist nicht. Game over. Insert new coin. Ganz einfach.

V2:

Einfach nicht dran denken.

Den Hunger, die Gier, sie sind nicht in mir. Das kam aus dem Rechner, aus dem Handy, aus der Wand, aus dem Boden, aus den Armaturen der Waschbecken, dem Email des Topfes, der Unbelassenheit des Tisches, der Naturbelassenheit der Steine.

Es heißt, wenn man den Kopf dagegen schlägt, helfe das.

Es hilft nicht. Es bleibt alles naturbelassen oder unbelassen, wie es war.

Wie du.

Unbelassen naturbelassen.

Entledigt. Entrückt. Prolongiert.

Hier.

Richtungslos ausgerichtet.

V1:

Du hattest deinen Spaß (tiefer Zug an der Zigarette)

V2:

Ich hatte meinen Spaß.

Zehn Minuten u. das ganze Leben versaut.

V1:

Meins?

V2:

Meins?

V1:

Seins genommen.

V2:

Unseres genommen.

Wir wurden, was wir sind.

Wie wir hier sitzen u. versuchen zu leben.

V1:

Wir leben nicht.

V2:

Wir sind nicht tot.

V1:

Eine Bewegung im Bauch.

Vielleicht etwas Falsches gegessen.

Heutzutage. Man weiß ja nie.

Man weiß nichts mehr.

Eine Schande.

Die Welt.

Da draußen.

All das da draußen.

Alle da draußen.

Wir hier.

Du.

Ich.

Jeminitische Stadt mit vier Buchstaben.

V2:

Die Entledigung oder wenigstens Entrückung oder zumindest die Prolongation des Atemzuges.

Das Hoffen im Innehalten, alles komme, wie es solle. Alles bleibe ohne zugrunde gegangen zu sein.

Fliegen wir?

Schweben wir über den Landelichtern u. dort winkt ein Leben. Ein junges, frisches, rosiges neues Leben?

V1:

Das hättest du gerne.

Du würdest dich draufstürzen, wie sich der Meteor auf der Suche nach seinem Krater auf die Erde stürzt.

Beide gehören zusammen u. können doch nicht sein.

Wie wir.

V2:

Wir sind zusammen. Hier explodiert nichts.

Hier: Begriff aus der chinesischen Philosophie. Drei Buchstaben.

Vielleicht hätten wir nach China gehen sollen.

Im Mauerbauern sind wir nicht unbewandert.

V1:

Experten! (lacht)

V2:

Unbelassen. Naturbelassen.

Kellergemäuer.

Lassen wir das Dach weg.

V1:

Luft für die Leichen.

V2:

Schweig.

V1:

Still.

V2:

Psst.

V1:

Ssst.

V2:

Gebrauchsmöbel. Fünf Buchstaben.

V1:

Ich.

Du gebrauchtest mich. Gebraucht hattest du mich nie. Aber du gebrauchtest mich. Hättest du mich nur einmal brauchen wollen.

V2:

Ich brauche dich.

V1:

Nein.

Das sagst du, weil man das so sagt.

V2:

Ja. Nein.

Ja.

V1:

Schweig!

V2:

Still!

V1:

Ein eingespieltes Paar.

Wenn ich den Bauch einziehe, sieht es aus, als ob nichts wär.

V2:

Als ob nichts wär.

Unser Motto.

Schreib es an die Wand.

V1:

Unbelassen. Naturbelassen.

V2:

Entledigt. Entrückt. Prolongiert.

Ich ruf jetzt den Arzt.

V1:

Ich brauche keinen Arzt.

Es ist zu spät.

Außerdem sind wir hier sicher.

Zudem sind die Ärzte hier Quacksalber.

Halsabschneider.

Pillenverschreiber.

Ruhigsteller.

V2:

Du musst es ja wissen.

Bei deinem Konsum.

(lacht)

Vielleicht bist du deshalb überfällig:

Das Kind ist eingepennt. Eingeschläfert.

Auf ewig sediert.

Antidepressiert.

(lacht)

V1:

Ja, so ist es wie wir.

V2 (sichtlich schockiert über die Schlussfolgerung):

Schweig!

V1:

Still!

V2:

Bezeichnung für eine Vereinigung von Gleichgesinnten. Sechs Buchstaben.

V1:

Gleichgesinnte kenne ich nicht.

Ich bin allein.

V2:

Du bist nicht anders als ich.

Du bist wie ich.

Es wird anders sein.

Muss anders sein.

Muss.

Muss.

V1:

Es gibt nichts anderes außer uns.

Nur uns.

Auf ewig.

Immer hier.

Hier passiert nichts.

Hier passiert uns nichts.

Ewige Ruhe.

Ruhe in Ewigkeit.

V2:

Und heute Nacht?

V1:

Was war heute Nacht. Ich habe geschlafen.

Es wenigstens versucht.

Wie jede Nacht.

Jede schlaflose Nacht.

Unbelassen. Naturbelassen.

V2:

Entledigt. Entrückt. Prolongiert.

Ich rufe jetzt den Arzt.

Es wird Zeit.

V1:

Schweig.

V2:

Still.

V1:

Ich habe keinen Hunger mehr.

V2:

Was man so sagt.

V1:

Still.

V2:

Schweigen.

Stille

V2:

Lateinisch Ursprung. Fünf Buchstaben.

V1:

Waagerecht oder senkrecht?

V2:

Uns geht es doch gut.

V1:

Ja, uns geht es (zuckt unter Schmerzen zusammen)

gut.

V2:

Ist es soweit?

V1 (lacht unter Schmerzen):

Das sagt man doch nur so.

Aber da ist nichts.

Mehr.

V2 schaltet den Fernseher an. Es kommen Nachrichten. Er dreht sie auf volle Lautstärke.

Licht aus.

Ende.

©Klaus Peter Buchheit.

Augsburg 2008