Sonntag, 9. März 2008

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loveneverdies-live-mitschnitt Haifischbar Augsburg

Text, Sprecher: Klaus Peter Buchheit

Gitarre, Komposition: Matthias Ubert

Presse zu love never dies

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Sushi
für Susanne und Matthias

ich, der ich nicht ich war, kam aus den Tiefen des Meeres
aus den Verästelungen der Erde
aus den Labyrinthen der Kellerräume
ich lag bei Krabben, Krebsen und Feuerquallen
ich irrte in den Schächten und Burgen der Ameisen umher
Sand im Haar, die Ohren voller Sand
ich, der ich nicht ich war, kratzte Konservenreste leer
ich tanzte mit Kraken und Rochen
ich marschierte mit Asseln und Milben
ich flüsterte Spinnen meine heißen Fliegenworte zu
ihr kühles Garn wickelte sich darum
Tintenfische spritzten mir Bläue ins Gesicht
Käfer bauten ihre Nester in mein Haar
aus Apfelkisten log das Paradies
log mir seinen Sündenfall zu
dann fraß ich, der ich nicht ich war, mit Piranhas und Haien
schluckte schwer an den Fontänen der Delphine
dann tafelte ich, der ich nicht ich war, mit Schaben
den Mond heulten wir zusammen aus engen Gängen herauf an
es begann das große Fressen an den Trögen
darein die Schleichen ihre Enden warfen
später stieg mir der Geruch der Algen in die Nase
der Reisduft der gefluteten Felder nebelte mich ein
die Fische boten mir ihr Fleisch an
sie hießen mich innehalten
ihren Laich um meine Kehle zu schnüren
in ihren Glücksspielen verspielten sie meinen Schlaf
denn im Chor sangen die Korallen
denn im Chor wisperten die Marienkäfer
denn im Chor flöteten die Silberfischchen
wer bist du was ach du
wer bist du was ach du
endlich aber schlug sich der Seetang um
gaben die Reisfelder ihren Tribut
betteten sich die Fische darin
betteten sich die Fische darin
ihr kamt und hattet
die Hände voller Wasabi
reichlich Ingwer hing
aus eurem Haar
nicht hatten Meer, Erde, Keller mich geekelt
(des Nachts schon, des Nachts schon)
nicht hatten ihre Töne mich vertrieben
(des Morgens schon, des Morgens schon)
ihre Betäubung war so süß
(so klar, so wahr)
ich, der ich nicht ich war, rannte von Ort zu Ort
voll von Dunkelheit und voller Lust zu schlafen
und fand den Schlaf doch nicht
ich umnebelte mich
alles war mir recht
jeder Hauch, jeder Wind,
jeder Dunst, jeder Dampf,
jeder Rauch, jeder Qualm
ich, der ich nicht ich war, fand den Traum doch nicht
fand den Traum doch nicht
ihr kamt und hattet
die Hände voller Wasabi
reichlich Ingwer hing
aus eurem Haar
salzig lag’s auf meiner Zunge
so fremd so fremd so vertraut so vertraut
am Vertrauten hatte ich mich überfressen
am Fremden wurde ich nicht satt
nur das Herz, das wurde mir schwer
und das Meer schien zu weit
die Erde zu fest
die Keller zu tief
das Herz zu kalt
dass ich, der ich nicht ich war, zu mir käme
in den Wogen
in den Höhlen
an den Wänden
in dem Klopfen
da stand es geschrieben, da schrie es je und je
hab acht, hab acht, Mensch, hab acht, du
(dann bist du sicher, sicher bist du dann)
da stand geschrieben, da schrie es je und je
stillgestanden, mein Herr, steh still, du Kerl
in der unaufhörlichen Raserei
aber der Seetang schlug sich um
die Reisfelder gaben ihren Tribut
darein die Fische sich betteten
salzig lag’s auf der Zunge
so fremd so fremd so vertraut so vertraut
nun kamt ihr und hattet
die Hände voller Wasabi
reichlich Ingwer hing
aus eurem Haar
ein Gespenst besuchte mich und das sagte zu mir
der Verhau des Alters ward erschlagen, zu Kleinholz geschlagen
schau hier, zwei Späne
Stäbchen sind’s und wie Stäbchen nütze sie
nütze sie gut
sind deine Hände auch ungeschickt
wie Kinderhände nun mal sind
auf einmal spuckte das Meer mich aus
auf einmal warf die Erde mich an den Strand
auf einmal lagen Tücher aus Kellerschränken bereit
weiß und scheinend und groß wie Engelsaugen
mich hungerte
noch hielt ich, der ich nicht ich war, Ausschau nach Konserven
aber keine Dose weit und breit
keine Dose weit und breit
nur die Stille
und das Wogen
und der Wind im Haar
der Wind im Haar
da stieß ein Schmetterling an meine Kniekehlen
ach so, dachte ich
ach so, lachte ich
ach so, lachte er
ach so, sagte er
und ich verstand, was da war,
und ich setzte mich hin
ihr kamt und hattet
die Hände voller Wasabi
reichlich Ingwer hing
aus eurem Haar
ach so, dachte ich
ach so, lachte ich
ach so, lachtet ihr
ach so, sagtet ihr
so vertraut so vertraut so fremd so fremd
ich, der ich war wie ich war, hatte es immer unwissend begehrt
jetzt lerne ich, der ich bin wie ich bin, Sushi essen
(in den Pausen baden wir im Meer, in der Erde vergraben ist kühler Wein
und die Saison noch lange nicht vorbei)


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